Life Research Institute
Life Research Institute
MIT DEM HERZEN SPRECHEN-MIT DEM HERZEN ZUHÖREN
The way of council / Tiefes Zuhören - Liebevolle Rede
Nach einem sehr bewegenden „Council-Seminar für Paare“ im Frühling 2011 im „Eschwege Institut“ mit Gesa und Holger Heiten, ist uns klar geworden, dass diese Methode auch Teil unseres Weges sein wird. Neugierig alles zu lernen was in diesem erstaunlichen Menschen-Kreis möglich ist und zu Wort kommen darf, gehen wir im Eschwege Institut in die Lehre.
Im Sommer 2011 habe ich (Catrin) das Grundlagen-Seminar Council in Schulen von Joe Provisor gemacht und im September begann endlich unsere Council-Grundlagen-Ausbildung ebenfalls im Eschwege-Institut. Seit dem haben wir schon viel gelernt und auch einiges an Erfahrungen als Hüter eigener Councils gemacht.
Die Vision des „runden Hauses“ der „Yurte“ die offen ist für andere Menschen, scheint mit dem Council ihre (Er)Füllung bekommen zu haben.
Das Rund im Rund... ist so folgerichtig.
Versucht man, das Wort Council ins Deutsche zu übersetzen, wäre die Formulierung „ZU RATE SITZEN“ wohl am treffendsten.
Es ist eine nichthierarchische zeitgemäße Form des Austauschens in der Gruppe und ermöglicht den Beteiligten, Zugang zum sogenannten Gruppenwissen bzw. zur Gruppenweisheit, zu erhalten. Oft kommen hierbei tiefgreifende und ungeahnte Potentiale der Beteiligten zum Vorschein.
Council ist in verschiedenen Situationen einsetzbar, mit Kindern in der Schule, in der Arbeit mit Paaren, in Firmen, in der Familie und überall wo vom Herzen her Entscheidungen getroffen werden.
Wer mehr wissen möchte über Council in Schulen kann sich unter folgenden Links Filme darüber ansehen:
Das erste Interview mit Marlow Hotchkiss ist ein MUSS!
http://www.youtube.com/watch?v=81wYzk-Cavk
http://www.youtube.com/watch?v=fKSh73dO49s&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=7FLeO49owxU&feature=relmfu
http://www.youtube.com/watch?v=w5B373I03pw&feature=related
Hier noch ein sehr lesenswertes Interview mit Virginia Coyle und Geseko v.Lübke über „The way of Council“
Mit der ausdrücklichen Erlaubnis von Geseko von Lübke.
Virginia "Gigi" Coyle, Mitbegründerin der Ojai Foundation in Kalifornien, Mitautorin des Standartwerkes "The Way of Council" ist eine international gefragte Kommunikationstrainerin, Visionssucheleiterin und Dozentin an der School of Lost Borders. Sie hat ihre Methoden weltweit in die Gemeinwesen-Entwicklung, von den Chefetagen bis in die Klassenräume sowie in Projekte der Permakultur und "interspecies communication" hineingetragen.
Autor & Gesprächspartner: Dr. Geseko v. Lüpke
Visionssuche-Leiter (gemischte Gruppen / Männer-Visionssuchen),
Journalist / Autor:
ua. Vision Quest-Visionssuche:
Allein in der Wildnis auf dem Weg zu sich selbst,
Drachen-Verlag 2010
Altes Wissen für eine neue Zeit.
Gespräche mit Heilern und Schamanen des 21. Jahrhunderts,
Kösel 2009 ( sehr, sehr lesenswert! C.)
Das Interview
Geseko: Kommunikation zwischen Menschen, Völkern, ja sogar zwischen Nachbarn scheint ein schwierig Ding zu sein und immer öfter zu scheitern. Wir besitzen entweder keine Werkzeuge zur Verständigung oder sie sind uns abhanden gekommen. Sie haben
ihr Buch über Kommunikation „The Way of Council“ genannt, wobei Council für eine spezielle Form von Versammlung steht - Was ist für Sie ein Council?
Gigi: Ein Council ist eigentlich etwas sehr einfaches, eine uralte Form der Zusammenkunft, die aus der Zeit stammt, als die Menschen sich noch um das Feuer versammelten. Sie saßen im Kreis und erzählten sich ihre Geschichten. Und wie wir von Menschen aus erdverbundenen Traditionen weltweit wissen, lag in diesen Geschichten viel Lernenswertes und Heilsames. Unsere Form des Council ist also eine Art Rück-Verbindung zu alten Traditionen und erinnert uns an dieses Leben. In einem darüber hinaus gehenden Sinne ist es sogar eine Art zu Leben, eine Lebensphilosophie - aber bleiben wir erst einmal bei der heutigen Praxis.
Im Grunde ist uns diese Form des Miteinanders tief vertraut. Und ich denke, deshalb kommt es den Menschen so natürlich vor, im Kreis zu sitzen.
In einem Kreis fühlen wir uns wohl und können uns leichter öffnen. Und wir können wirklich jeden im Kreis sehen. Bei einem Council geht es darum, unsere Fähigkeit zum Zuhören zu vertiefen. Das bedeutet auch, in uns selbst hinein zu horchen, und auf das zu achten, was gesagt, was mitgeteilt werden will. Dazu gehört ebenso, den anderen zuzuhören, wie auch alle die Informationen um uns herum aufzunehmen, die diesen Augenblick ausmachen. Wir beziehen also unser natürliches Umfeld mit ein – die Natur, den Ort, die Tageszeit, usw. Für mich gehört all das zum „tieferen Wesen“ des Council, der Versammlung, hinzu
Menschen verlieren sich oft im Reden, d.h. sie hören zwar aufmerksam anderen zu, vergessen jedoch ihre Aufmerksamkeit auf die zahlreichen anderen Variablen auszuweiten, die Einfluss auf das Geschehen haben ,also das, was wir das “Feld” nennen.
Welche Regeln gibt es zu beachten, wenn man ein Council abhalten will?
Wir sprechen lieber von Leitlinien als von Regeln Es geht eher um den „Geist“ des Council, die innere Einstellung, für viele ist es eine Art spiritueller Übung.
Die Leitlinien sind ganz simpel. Im Kern geht es darum, aus dem Herzen zu hören, aus dem Herzen zu sprechen und nicht mehr zu sagen als nötig. Das muss nicht heißen, sich kurz zu fassen oder zu beschränken. Vielmehr geht es darum, so gut und knapp wie man es eben kann, zur Essenz dessen zu kommen, was man sagen will. Und allein das ist ein Thema für sich. Aber es geht, wenn wir anerkennen, dass jeder zu Wort kommen will.
Ein weiterer Punkt ist die Spontaneität. Und das heißt: Unvorbereitet sprechen! Denn wenn wir uns wirklich einlassen und einander zuhören, auch unser Umfeld wahrnehmen, dann ist es unmöglich, eine Rede vorzubereiten. Wenn ich gleichzeitig zuhören und innerlich vorbereiten will, kann ich keinem von beiden gerecht werden – und ich bin nicht innerlich präsent. Wir alle vergessen das immer wieder, und dann ist es wichtig, sich wieder in die Gegenwart zurück zu holen und zuzuhören. Es ist eine Übungssache. Und wenn es uns gelingt, nicht vorzubereiten, was wir sagen wollen, sind wir oft selber überrascht, von dem, was wir sagen. Dann öffnen wir uns und fangen an, dem Augenblick zu vertrauen. Und trauen auch plötzlich dem, was wir hören.
Anders als wir es häufig in unserem täglichen Umfeld erleben, setzen wir im Kreis unsere Energie nicht dafür ein, endlich zu Wort zu kommen, sondern wir lernen zu warten und dann zu sprechen, wenn die Reihe an uns ist.
Diese Zusammenkünfte in Kreisform werden auf unterschiedlichste Weise praktiziert und sind in vielen Ländern und Kulturen zu finden. Wir freuen uns immer, wenn es uns gelingt, an unterschiedlichen Plätzen Wurzeln dieser Arbeit zu entdecken und unterstützen zu können. Auf eines möchte ich noch hinweisen, das in unserem Kulturkreis wichtig ist, nämlich die Vertraulichkeit. Auch das hat einen einfachen Grund. Viele Menschen kommen mit dem Wunsch nach seelischer Heilung, und in einem solchen Kreis erzählen sie vielleicht zum ersten Mal ihre ganz persönliche Geschichte. Deshalb soll das, was gesagt wird, nicht weitererzählt werden, sondern im Kreis bleiben.
Es klingt fast, als ob man im Kreis einen rituellen Gesprächsraum betritt?
Die Art, wie wir ein Council abhalten, hat sehr viel von einem Ritual. Der Beginn kann unterschiedlich gestaltet werden, aber meist brennt wie früher ein Feuer in der Mitte, auch wenn es nur eine Kerze ist. Dann bitten wir die teilnehmenden Menschen, diesen Kreis mit einer inneren Absicht zu betreten. Ein Wunsch, ein Gebet, ein Ziel, eine Widmung, was immer. Wir verwenden die Sprache, die sich am besten zur Kommunikation mit der jeweiligen Gruppe eignet.
Wir orientieren uns an der Kultur und den Gepflogenheiten der Teilnehmer. Wenn wir ein Council in einer Firma abhalten, dann verzichten wir vielleicht auf die Kerze, weil das die Leute albern finden könnten und sie sich möglicherweise nicht öffnen können. Stattdessen räumen wir dann die Tische aus der Mitte des Raumes oder verzichten auf Stühle, um auf andere Weise eine besondere, im Ritual würden wir sagen „heilige Zeit“ zu erschaffen, und zum Beispiel einen schönen Blumenstrauß in die Mitte stellen.
Es gibt also gewisse Leitlinien, und es gibt ebenfalls formale Gestaltungselemente für den Anfang und das Ende Jeder, der einen Council anleitet, weiß jedoch, dass es sich lediglich um Leitlinien handelt, die sich immer danach richten, was der Absicht der Gruppe am besten dient.
Sprechen wir von den Wurzeln. Sie sagten, dass Sie – je nach dem wo so ein Council stattfindet – die lokalen Wurzeln aufgreifen. Heißt das, diese Struktur existierte rund um den Planeten, in unterschiedlicher aber ähnlicher Form
Ich würde gerne noch zu den Wurzeln von Council in anderen Kulturen etwas sagen.
Aber zuerst will ich darauf hinweisen, wie wichtig es ist, auf die Wurzeln von Council in der Natur zu blicken. Seit vielen Jahren beobachte und photographiere ich Kreisbildungen in der Natur, wie sich Tiere spontan in bestimmten Formationen bewegen, wie Delphine ihr eigenes Radar benutzen und Menschen auf ganz bestimme Art wahrnehmen.. Diese Transparenz und die Fähigkeit, sich trotz großer Unterschiede in einer einheitlichen Form zu bewegen, ist eine der typischen Erfahrungen, die man im Rahmen eines Council machen kann. Es gibt da eine Verbindung zwischen allem Lebendigen, was die eigentlichen Wurzeln von Council ausmacht. Eine Form des Zuhörens, die wir herausbilden möchten, eine Art des Hörens, die wir brauchen, um in der freien Natur zu gehen, zu leben und zu arbeiten. Es ist das Hören, dass die Völker, die noch im Verbund mit der Erde lebten, für ihr Überleben brauchten. Wir bemühen uns, diese Art des Hörens zu kultivieren und zu fördern, dieses Lauschen in die Natur und das Wahrnehmen von Stimmen, von einer einzigen Stimme…..
Darin liegt die Tür zu einer Erfahrung von Größe, das, was die Buddhisten „Big Mind, Big Heart“ nennen.
Wir haben einmal mit Muslimen gearbeitet, die die Form des Council sehr schätzten. Sie konnten über ihre eigene Tradition einen Zugang finden, und zwar durch die Verwendung eines Sprechstabes. Wir benutzen ja einen Sprechgegenstand, was eigentlich nicht ganz das richtige Wort ist, denn der Sprechgegenstand soll uns beim Zuhören helfen. Im Islam hat der Sprechstab die Aufgabe, das Größere in uns – vielleicht Gott – einzuladen, und sich durch uns auszudrücken. Auch in der hawaiianischen Kultur gibt es Traditionen, wo die Menschen im Kreis sitzen und reden, und die unserem Council sehr ähneln. In der Ilias ist die Rede von einem Sprechstab, der zur Konfliktlösung eingesetzt wurde. Und die Quäker zum Beispiel, die im Kreis sitzen und sich einem Hören in die Tiefe öffnen und nur dann sprechen, wenn der Geist sie dazu bewegt. Ich könnte noch viele Beispiele nennen
Wenn ich Gelegenheit habe, unterschiedliche Kulturen kennen zu lernen, dann frage ich gerne, welche Tradition des Sprechens, aber vor allem des Zuhörens, sie besitzen, die der des Council ähnelt. Es ist schon erstaunlich, wie viele Menschen in ihrer Kultur Wurzeln mit dieser Struktur entdecken können
Daher gibt es Leitlinien, die sich für die Art und Weise, wie wir Council verstehen, sehr gut eignen. Aber diese Form der Kommunikation ist nicht unser Eigentum, daher können diese Leitlinien ebenso ergänzt wie gekürzt oder geändert werden, je nachdem, um welche Gruppe von Menschen es sich handelt.
Ich habe das Reden mit Hilfe eines Sprechstabes deshalb als etwas besonderes erlebt, weil es einem rituell zu erlauben scheint, zu sagen, was gesagt werden will, sich die Zeit zu nehmen, die es braucht und dabei sicher zu sein, die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden zu habe. Eröffnet uns dieses Werkzeug eine andere Kommunikationsebene? Denn in der Regel verlieren wir uns ja in Diskussionen, anstatt wirklich zuzuhören und aus der Tiefe zu sprechen.
Ganz genau. Wir sagen “Sprechgegenstand” – denn es kann ein Stab, oder etwas selbst Gefertigtes sein, etwas, das für eine Gruppe von Menschen eine bestimmte Bedeutung und Kraft ausdrückt, es kann aber auch einfach nur eine Blume sein. In einem Unternehmen haben wir sogar mal ein Handy als Sprechstab benutzt. Dieser Gegenstand soll uns daran erinnern, dass in einem Kreis zwar Menschen sitzen, dass aber auch noch weitere Elemente unserer Wirklichkeit anwesend sind. Der Sprechstab soll auch an die Anwesenheit einer weiteren, dritten Ebene erinnern, denn er transportiert seine eigene Geschichte. Es ist daher gar nicht nötig, sich besonders anstrengen zu müssen, um gehört und gesehen zu werden, oder sich das Wort zu erkämpfen. Wenn du den Sprechstab hältst, ist allen klar, dass es jetzt an dir ist zu sprechen, und dadurch wird eine völlig andere Art des Ausdrucks möglich. Die Energie der Gruppe wird nicht durch den Teilnehmer bestimmt, der am lautesten redet oder eine dominante Rolle einnimmt, vielmehr entwickelt sich durch das Wandern des Sprechstabs ein gemeinsames Verstehen, ein miteinander Verweben.
Manchmal ist die Geschichte des Sprechstabes selbst interessant, Ein anderes Mal wiederum lassen wir den Sprechgegenstand im Kreis herum gehen und beobachten, was er den Menschen entlockt. Schon allein dadurch entfaltet sich eine besondere Erfahrungsebene. Selbst wenn nur zwei Menschen sich entschließen, ihrer Begegnung durch ein Council eine tiefere Absicht zu geben, den Raum dafür bereiten und die Vereinbarung treffen, sich zuzuhören und für einander da zu sein, entsteht inhaltlich etwas völlig anderes, als wenn sie einen klassischen Dialog führen würden.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die miteinander sprechen, die Realität in verschiedenen Kanälen wahrnehmen, und dass diese Wahrnehmungskanäle nicht aufeinander treffen. Diese unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen berühren sich einfach nicht. Stimmt es, dass Council weniger eine zielgerichtete Kommunikationsform ist, sondern vielmehr ein viel weiter gefasste Art des Verstehens, ausgehend von dem tiefen Hineinhören in das, was die Seele uns mitteilen will?
Wie alles auf der Welt ist das, was ein Council sein kann, davon abhängig, wie und in welchem Geist es eingesetzt wurde.
Für mich ist es wichtig, dass ein Council zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden kann. Manchmal geht es darum, eine Entscheidung zu treffen, ein andermal wollen wir herausfinden, wie ein Haus konzipiert werden soll. Wir setzen Council auch bei Paaren ein, um die Beziehung und das Verständnis füreinander zu vertiefen. Jeder Council ist daher anders, gemeinsam ist allen jedoch, dass meistens eine offenere und menschlich tiefere, die Seele berührende Kommunikation stattfinden kann.
Manchmal frage ich Menschen, ob sie sich jemals unverstanden vorkamen in ihrem Leben Fast jeder aus ungefähr jedem Kulturkreis, dem ich begegnet bin, antwortet darauf mit Ja. Das ist eine Wunde, die wir alle tragen. Ob wir einen Traum erzählen oder unsere Geschichte, wir lernen allein dadurch, dass wir sie erzählen. Das Erzählen der Geschichte besitzt eine eigene Kraft, die dem Verstehen dient, aber große Heilkraft hat. Und all das hängt davon ab, welche Absicht ein Council verfolgt. Ich erzähle z.B. eine Geschichte, die in mir aufsteigt, ohne zu wissen, warum, aber die Geschichte kommt ganz spontan in mir auf, als wir uns im Raum niederlassen. Vielleicht hat die Geschichte etwas mit der Erde zu tun, auf der wir sitzen, auf jeden Fall habe ich das Gefühl, sie erzählen zu müssen. Was genau diese Geschichte bedeutet und wozu sie hilfreich war, wird mir vielleicht erst klar, nachdem unser Council vorüber ist.
Meine Absicht wird aus einer Frage ersichtlich, die ich mit mir trage, und die ich gerne auch anderen ans Herz legen möchte. Es ist die Frage, wozu etwas gut ist. Was ist gut für mich? Was dient den anderen?? Was dient dem großen Geheimnis, Gott, dem großen Geist, dem Unbekannten, der Großen Gemeinschaft? Das Göttliche ist der Ort der Rück-Verbindung, den wir erforschen möchten.
Die Form des Kreises scheint eine sehr ursprüngliche Form der Kommunikation zu sein. In Deutschland besitzt jede Stadt ein Rathaus, was einer wörtlichen Übersetzung von ‚council house‘ entspräche.’ Hier sitzt die Lokalverwaltung. Die eigentliche Kultur des Rates, des zu-Rate-Sitzens besteht jedoch nicht mehr. Alle halten ihre vorbereiteten Reden und versuchen einander zu übertrumpfen. Was glauben Sie, warum haben wir den Geist, die Kultur des Rates verloren?
Ja, darin liegt eine traurige Ironie, denn die Wurzeln des Council liegen in unserem Regierungssystem und der Begriff selbst ist in den Vereinigten Staaten weit verbreitet. Eine bestimmte Kultur innerhalb meines Landes habe ich noch nicht genannt – die der amerikanischen Ureinwohner. Sie waren diejenigen, die den Weißen den Geist des Council nahe brachten.. Ein Großteil unserer frühen Regierungsstrukturen basierte auf der Weisheit der amerikanischen Ureinwohner. Wie wir wissen, war die Kultur der Ureinwohner über viele Jahre hinweg unterdrückt, wie viele andere indigene Kulturen und Völker. Ich glaube, die Weisheiten der eingeborenen Völker erschienen den modernen Menschen der westlichen Welt als unpragmatisch und ineffizient. Nach wie vor mangelt es uns grundlegend an Verständnis für die indigenen Kulturen
Ich ehre die tiefen Wurzeln dieser Kommunikationsform und die alten Kulturen, von denen ich lernen durfte, und ich kann nur sagen, dass Council für mich zu einer Lebensart geworden ist, die dem Wesen unsere Erde entspricht und allen Menschen offen steht. Ich weiß, dass ich Council zum allerersten Mal in der Natur erlebt habe, als ich feststellte, dass ich mit allem um mich herum in Kontakt bin. Ich habe in den späten 60er und in den 70er Jahren mit Frauen im Kreis gesessen. Dieser Kreis entstand ganz natürlich, indem wir Frauen uns verbunden fühlten durch das schmerzhafte Erleben patriarchaler Strukturen. Daher stellt meine Achtung vor der femininen Kraft für mich ebenfalls eine der Wurzeln des Council dar.
Es gibt ganz gewiss einen Aspekt von Council, der auf die weibliche, die feminine Art zurück zu führen ist, und der im Kern dieser Praxis zu finden ist. Ich sagte schon, dass die Wurzeln des Council in der Tradition der Quäker, der der Bürgerrechtsbewegung, aber auch in zahlreichen Gemeinschaften und Kulturen zu finden sind, die ein harmonisches Miteinander anstrebten, und die das Einbeziehen von Verschiedenartigkeit als wichtiger ansahen, als Effizienzdenken, Industrialisierung, wirtschaftlichen Erfolg und Produktivität in unserer westlichen Kultur. Wenn Menschen anfangen, darauf zu hören, was im Leben wirklich wichtig ist, werden sie, so denke ich, in diese Richtung gezogen, sie erinnern sich sozusagen wieder daran.
Ich möchte wiederholen, dass dies nicht der einzig mögliche Weg ist. Es gibt viele wertvolle Formen der Kommunikation Ich schätze die Art von Dialog, die uns dabei hilft, zuzuhören und zu verstehen, Für mich jedoch ist Council ganz sicherlich zu einer Lebensphilosophie, zu einer bestimmten Art zu leben, geworden. Es ist weit mehr, als lediglich ein Werkzeug oder eine Technik.
Was bedeutet, dass es eine Lebensphilosophie ist?
Es ist eine Art, mit mir selbst und mit der Welt in Einklang zu sein. Bildlich gesprochen heißt das, dass ich den Redestab in mir trage und die Bereitschaft zu Hören lebe – und zwar nicht nur, wenn ich oder sonst jemand einen Council einberuft. Es bedeutet einfach zu leben und zuzuhören so gut ich kann, und mich jedesmal selbst zurück zu pfeifen, wenn ich gerade mal diese Aufmerksamkeit zum tiefen Zuhören vergessen habe. Aus dieser Art des Zuhörens heraus entsteht die magische Erfahrung, mit Menschen und mit einem Ort verbunden zu sein. Ehe wir in der Ojai Foundation neue Gebäude bauen konnten, wurden wir still und fragten den Platz “was braucht dieser Ort?“ Wir warteten mehrere Jahre, ehe wir mit dem Bau beginnen konnten.
Meine eigene Geschichte ist stark geprägt von meiner Arbeit mit den Delphinen, von denen ich so viel gelernt habe. Bereits ganz zu Beginn war da ein Sehen, ein Verstehen, ein gemeinsames Feld. Diese Erfahrung veranlasste mich, mit Menschen zu arbeiten, weil ich verstanden hatte, dass wir einander sehen können, uns zuhören können, uns finden, uns helfen und heilen können. Wenn wir still werden und erkennen, was gerade dieser Augenblick erfordert, wenn wir uns gegenüber der Welt öffnen, wenn wir unser Potential zulassen, dann stehen uns alle diese wunderbaren Gaben zur Verfügung. Und diese Offenheit Tag für Tag zu leben, bereit zu sein, in einem schwierigen Gespräch zuzuhören und die Zeit, die es braucht, zu warten– das ist die eigentliche Herausforderung! Den Moment abzuwarten, in dem ich etwas einbringen kann und es dann zu tun - oder es gut sein zu lassen und zu würdigen, was geschieht.
Es scheint bei diesem Prozess viel darum zu gehen, die eigene Geschichte zu erzählen. Viele Menschen aber sind mit ihrer Geschichte noch nie gehört worden oder haben immer nur solche erzählt, die gehört werden wollte. Ist Council eine Methode, mit biographischen Schatten zu arbeiten. Ist sie damit therapeutisch?
Es hat eine therapeutische Wirkung, ohne jedoch Therapie zu sein. Entscheidend ist, dass Menschen im Kreis zusammen kommen und dass jeder einzelne etwas beitragen kann, das möglicherweise einem Anderen dient. Denn das ist immer möglich. Und wenn alle offen sind und zuhören, kann selbst der jüngste Teilnehmer mit der geringsten Lebenserfahrung auf wunderbare Weise genau das Puzzlestück beisteuern, dass für jemand Anderen wichtig ist. Denn wir sind wie ein großes Puzzle, jeder könnte ein Stück für mich besitzen. Auf diese Weise ehren wir die Kinder und die Ältesten. Wir geben Raum – wenn jemand lange spricht, gleicht sich das wieder aus, wenn einer eine Weile zuhört, um weniger Zeit in Anspruch zu nehmen, und so ist genug Zeit für alle.
Die Übertragung, die oft im therapeutischen Zusammenhang entsteht, gibt es im Council nicht, denn ein guter Leiter gibt die Leitung immer wieder an den Kreis zurück. Hier gilt es anzuerkennen, dass Heilung, Visionen, Konfliktlösungen allein auf die Alchemie des Kreises, den Augenblick, den Ort, die Zeit und die Menschen zurück zu führen sind.
Und nochmals, die Art, in der der Kreis hilfreich ist, hängt von ganz bestimmten Absichten ab. Wenn ich mich in einer Vorstandsetage befinde, kann es Heilung geben, auch wenn es sich hier um Entscheidungsprozesse handelt. Natürlich müssen wir dann die Hierarchie in diesem System anerkennen. Trotzdem wird in einem Council jeder gehört, auch wenn es letztlich die Chefs sind, die entscheiden. Das Geschenk liegt dann darin, dass jeder weiß, er wurde von seinen Vorgesetzten angehört, bevor die Entscheidung getroffen wird. Und das kann sehr heilend wirken.
Wenn ein Council stattfindet, geht es offenbar mehr um ein Gefühl der Zusammenarbeit als um Wettbewerb, als um “besser sein”, mehr sein, schlauer sein, oder was auch immer. Was können Sie dazu sagen?
Das ist richtig. Sehen Sie sich die Delphine einmal näher an. Die Menschen haben sich selbst immer für die intelligenteste aller Spezies gehalten, bis sie sich näher mit Delphinen beschäftigten. Und bei Forschungen mit Delphinen und Walen wurde festgestellt, dass ihr Gehirn größer ist und sie auf bestimmten Gebieten Fähigkeiten besitzen, welche die des Menschen weit übersteigen. Dann wurde die Frage nach der Definition von Intelligenz aufgeworfen. Seit 20 Jahren wird der Begriff der emotionalen Intelligenz erforscht, und inzwischen gilt es als allgemein anerkannt, dass Intelligenz sehr unterschiedliche Bedeutungsinhalte besitzt.
Auch im Council leben unterschiedliche Formen von Intelligenz. Das ist eine wunderbare Form dessen, was wir ‚partnerschaftliches Paradigma‘ nennen. Es gibt uns immer wieder die Möglichkeit zu erkennen, dass jeder Mensch etwas Besonderes, eine besondere Gabe besitzt. Denn wir sind eben nicht alle gleich. Wir besitzen unterschiedliche Erfahrungen und Fähigkeiten, unterscheiden uns in vielen Dingen, .und in Rahmen eines Council ist es eben möglich, all diese Unterschiede zu würdigen und einzubeziehen. So kann man z.B. innerhalb einer Organisation feststellen, dass jeder eine andere Aufgabe und andere Verantwortlichkeiten übernimmt. Aber jeder hat den gleichen Raum zur Verfügung, um in seiner eigenen Fülle und Vollständigkeit da zu sein. Es ist genügend Raum da, um so klug und mächtig und weise zu sein, wie es mir möglich ist. Und wenn ich so sein kann, wie ich bin, werde ich auch dein Licht nicht verdunkeln. Es ist genügend Raum da für dein Licht und für meines. Und wenn es gerade dein Beitrag ist, Schmerz, Verletzlichkeit oder Schwäche zu zeigen, so wird auch das als Teil deiner Vollständigkeit als Mensch, als Bestandteil des Council anerkannt und wir sind dankbar dafür. Was Sie vielleicht Zusammenarbeit nennen, würde ich die Anerkennung und Würdigung der Ganzheit, der Vollständigkeit, nennen.
Auf die Frage nach dem Schatten möchte ich sagen, dass ein Council alles willkommen heißt, was als dunkle Seite, als Schatten angesehen wird. Wenn im Rahmen eines Council solche dunklen Energien vorhanden sind und nicht ausgesprochen werden, wachsen sie sich zu ‘Elefanten’ aus, zu einer Belastung für den Prozess. Und solange die Dinge nicht ausgesprochen sind, ist der Council nicht vollständig. Es mag ein Gefühl von Schwere, etwas Verborgenem, Unausgesprochenem, von Unvollständigkeit bestehen. Wir möchten diesen Energien unbedingt Raum geben, damit der Schatten sich zeigen und benannt werden kann.
Und gleichzeitig wollen wir nicht nach Verborgenem graben. Einer der wunderbarsten Momente im Council ist das Schweigen. In unserer westlichen Kultur kommt uns Schweigen oft als Hinweis darauf vor, dass etwas nicht stimmt. Manchmal fühlen wir uns durch Schweigen unangenehm berührt und glauben, etwas sagen zu müssen.
Im Council respektieren wir die Stille.
Und es kommt noch eine weitere Grundregel hinzu, über die wir bisher nicht gesprochen haben: Es muss nicht jeder in einer Versammlung sprechen. Wenn der Sprechstab herum geht und er landet bei jemandem, der Stille in den Kreis geben will, dann ist sein Geschenk eben das Schweigen. In Kalifornien, wo ich lebe, sind die Menschen dauernd dabei, „Schatten“ zu bearbeiten, sich dem „Dunklen“ in sich zu widmen oder „Konflikte“ aufzuarbeiten. Diese ganze Schattenarbeit kann einen genauso süchtig machen wie der Zwang zum ewigen Glücklichsein. Nein, das was wir einladen, ist einfach die Wahrheit. Die Wahrheit jedes Einzelnen in eben diesem Moment, so gut wie er es aus seinem Herzen heraus ausdrücken kann. Wenn es sich als Ärger ausdrückt, gut. Wenn der Kreis gut gehalten wird und klare Regeln hat, braucht man vor Gefühlen und Ärger keine Angst zu haben, im Kreis ist Raum für jede Stimme.
Um den Hörern einen Eindruck von der Vielfalt der Anwendungen zu geben: Können Sie ein paar Beispiele aus der Arbeit in Firmen geben, oder in der Friedensarbeit? Ist Council in der Versöhnungsarbeit nach kriegerischen Konflikten einsetzbar?
Es kommt drauf an: Man kann diese Methode ganz unterschiedlich nutzen und es gibt auch ganz verschiedenen Formen, die der jeweiligen Situation angepasst werden müssen. Was immer dazu gehört ist die erwähnte Kreisform, ein Sprechsymbol, eine inhaltliche Absicht, die Grundregeln und das achtsame Zuhören. Council lässt sich in allen Gemeinschaften einsetzen, wo Heilung nötig ist und man Menschen die Möglichkeit gibt, ihre Geschichte des Schmerzes, des Missbrauchs oder des Leidens zu erzählen – wozu sie vielleicht noch nie die Gelegenheit hatten. Wenn man bedenkt, wie viel nicht aufgearbeitetes Leiden in der Welt existiert, kann man sich vorstellen, was solche Kreise bewirken können.
Aber Council wird ebenso von Männern und Frauen benutzt, die sich kritisch mit ihrem Männerbild oder ihrer weiblichen Identität auseinander setzen. In modernen Übergangsriten wird es in wunderbarer Weise eingesetzt. Aber auch in der Ehe, in der Zusammenführung von kaputten Familien, in der Auseinandersetzung mit dem Tod, bei der Sterbebegleitung wird es benutzt. So ein Kreis ist dann nicht nur heilend, sondern kann auch eine visionäre Qualität haben, weil neben der reinen Information auch tiefe Weisheit und größeres Verständnis durchbrechen können.
Und andererseits kann diese Form genauso in Firmen eingesetzt werden, um ein Team weiterzubringen, oder einen Konflikt zu lösen, oder um das Ziel einer Abteilung herauszuarbeiten. Wir haben Councilrunden auf Vorstandsebene durchgeführt, wo sehr intensiv und unter enormem Zeitdruck gearbeitet wird. Es kann sehr hilfreich sein, eine Sitzung mit einer Runde im Kreis zu eröffnen, um miteinander in Verbindung zu kommen, gemeinsame Ziele zu finden und Absichten zu formulieren.
Auch innerhalb von sozialen Gemeinschaften und im politischen Kontext lässt sich die Form des Council gut einbauen. Zusammenkünfte in den Gemeinden werden in den Vereinigten Staaten wieder populär. Man erinnert sich wieder an die Wurzeln der Demokratie, und genau das ist es, was Council ausmacht – ein Ort, an dem jeder anders denken darf, aber jeder gehört wird.
Mit Jugendlichen geht das wunderbar. Wir arbeiten mit jungen Menschen, indem wir die Councilarbeit in die Schulen tragen. Schüler sind heutzutage überlastet mit Lehrstoff und Aufgaben, ihre Tage sind bis oben hin voll. Wir haben festgestellt, dass es sehr wichtig für die Schüler ist, mit Lehrern und Gleichaltrigen im Kreis zu sitzen und mit ihnen über Anliegen zu sprechen, die nie in der Schule zur Sprache kommen. Es ist egal, ob es dabei um Sexualität, kulturelle Unterschiede oder um die Spaltung zwischen einzelnen Cliquen und Gangs geht, sobald ein ehrlicher und offener Austausch möglich ist, kann sich das Bild einer Klasse, sogar einer ganzen Schule wandeln.
Wir verwenden nicht nur unterschiedliche formale Elemente (manchmal ein Kreis, und manchmal ein Kreis im Kreis, oder eine Spirale im Kreis…), sondern auch unterschiedliche Themen, je nachdem wo der Council stattfindet. Ich habe mit Krankenschwestern, Pflegern, Mönchen und Nonnen gearbeitet – Menschen, die ihre Zeit anderen Menschen widmen, selbst aber keine Gelegenheit haben, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Es war sehr wichtig, diesen Menschen wieder zu Kraft und neuen Ressourcen zu verhelfen.
Wir haben inzwischen schon mit Aktivisten und Politikern, Gefangenen und Wärtern, Kindern und Eltern gearbeitet, um nur einige der Councilteilnehmer zu nennen.
Council scheint als ein sich selbst organisierender Prozess mit zahlreichen Partnern abzulaufen. Welche Aufgabe hat der Leiter eines Council?
Ich kann mit einer Gruppe von Frauen oder mit meinen Mitarbeitern in einem Council sitzen und wir sind gleichzeitig alle Leiter - das zeichnet die Councilarbeit aus. Wir fordern die Menschen auf, die Verantwortung gemeinsam zu tragen. Hierzu zählt die Verantwortung für den zeitlichen Rahmen ebenso wie für die innere Absicht. Die Leitung wird auf jeden Fall aufgeteilt. Die kleinste Leitungsaufgabe besteht darin, dass jemand den Beginn und das Ende festlegt. Man kann einfach jemanden bitten, das zu tun. Die umfassendere Version wäre die, dass eine Person verantwortlich ist für das Thema, das Feld, die Absicht, die Wahl der Form und darüber hinaus darauf achtet, dass die Zeit eingehalten wird.
Wir empfehlen eine partnerschaftliche Leitung, um geteilte Verantwortung zu leben und um eine Ausgewogenheit in der Unterschiedlichkeit erfahren zu können. Auch weil es zu den Aufgaben eines Councilleiters gehört, Teilnehmer der Gruppe zu sein. Auf diese Weise nehmen alle am Verlauf und am Inhalt des Council teil. Hier besteht also ein Unterschied zur herkömmlichen Gruppenleitung, bei der der Leiter sich nicht am inhaltlichen Gespräch beteiligt. Wenn wir also partnerschaftlich arbeiten, kann es vorkommen, dass wir uns in unserer eigenen Geschichte verlieren, und dann ist es gut zu wissen, dass unser Partner den Prozessverlauf im Auge behält. Nochmals, die Aufgabe des Leiters richtet sich nach der jeweiligen Situation. Er kann zum Beispiel für die Einführung in den Council zuständig sein. Hierzu muss man sehr Council-erfahren und über den Hintergrund oder die Kultur der Teilnehmer informiert sein. Das ist wichtig, um das ‘Feld zu schaffen’, d.h. in einer Weise den Council zu eröffnen, dass sich die Teilnehmer eingeladen fühlen. Die Aufgabe eines Leiters verändert sich also mit dem Ort, den Teilnehmern und der Absicht.
Mir kam gerade der Gedanke, dass das Wesen von Council etwas mit dem Gefühl von Zugehörigkeit zu tun hat. Ich meine das deshalb, weil viele von uns das Gefühl verloren haben, mit der Erde verbunden zu sein. Und auch weil wir in unserer modernen Kultur die Wurzeln dessen, was Council ist, verloren haben.
Zugehörigkeit, Verbundenheit ist ein großes Thema. Dazu kann ich nur sagen, dass wir in dem Moment, wo wir in einem Kreis mit anderen Menschen sitzen und die Gelegenheit zum Sprechen haben – auch wenn wir uns für das Schweigen entscheiden - normalerweise ein Gefühl von Zugehörigkeit zum Kreis empfinden. Es entsteht ein Gefühl von Gemeinschaft. Sogar wenn ich mich nicht dazugehörig fühle, betrete ich den Kreis und gebe einen Teil meiner Erfahrung in die Gruppe hinein. Dadurch wird es zu einem Teil des Ganzen.
Wir glauben auch, dass es nicht notwendig ist, alles auszudrücken, denn in dem, was andere Teilnehmer sagen, ist bereits meine Geschichte enthalten. Wenn ich deine Geschichte höre, höre ich gleichzeitig Teile meiner eigenen Geschichte. Wir haben sogar über die Kulturen hinweg Gemeinsamkeiten gefunden. Genauso wie wir die Unterschiede in uns schätzen und achten, können wir auch unsere Gemeinsamkeiten hervorheben und feiern. Die Kraft, die darin liegt, können wir erleben, wenn ein Kreis von Männern einem Frauenkreis zuhört, und umgekehrt. Wir erleben, wie unterschiedlich wir sind und sehen gleichzeitig, dass sie ebenso wie wir Schmerz, Freude, usw. empfinden. Und dann passiert etwas Wunderbares.
Es wird ein viel umfassenderes Gefühl von Zugehörigkeit geweckt, das Gefühl, zum gesamten Universum zu gehören. Es geht nicht darum, dass wir gleich sind, weil wir die gleichen Gefühle haben. Es ist eher so: ich sehe dich in deiner Unterschiedlichkeit und ich achte und würdige diese Unterschiede, ebenso wie die Tatsache, dass wir die gleiche Lebensgrundlage besitzen und auf der gleichen Erde leben. Wir sind miteinander verbunden – deine Freude ist meine Freude und deine Trauer ist auch meine Trauer.
Die kleinste Form der Begegnung ist die zwischen zwei Menschen. Und weil bei den meisten Paaren die Kommunikation überhaupt nicht klappt, erscheint sie vielen sogar als die Schwierigste. Das Symbol des Council ist der Kreis. Dürfen im Kreis auch nur zwei Personen sitzen?
Aber natürlich! In so einem Setting ist der sichtbare Fokus natürlich erst mal auf diese beiden Menschen gerichtet. Aber schon der Sprechstab und eine Kerze zwischen ihnen und das Bewusstsein, wo und warum sie da sitzen, erinnert sie daran, dass es um mehr als nur sie beide geht. Der Zen-Meister Baker-Roshi sagte einmal: „In einer Beziehung muss eins und eins drei ergeben, nicht zwei.“ Daran möchte ich immer wieder erinnern, wenn sich zwei Menschen zusammen setzen: dass nicht nur Er und Sie eine Stimme haben, sondern auch die Beziehung.
Wenn sich also ein Paar ernsthaft zuhört, stellen beide oft überrascht fest, dass sie ihren Partner in einer völlig neuen Weise wahrnehmen. So zeigt sich häufig, dass sie sich zuvor gar nicht richtig zugehört hatten. Außerdem sollte die Stimme der Beziehung ebenso offen und ernsthaft gehört werden, z.B. indem jeder der Partner abwechselnd aus der Perspektive der Beziehung spricht. Das ist so ähnlich wie beim „Council of All Beings“, (“Konferenz des Lebens”), wo wir mit der Stimme der Eidechse oder der Bäume oder der eines anderen Wesens sprechen. Wir wagen uns vor in die imaginäre Welt - die eine sehr reale ist - und sprechen von dort aus.
Was bedeutet „Council of All Beings“?
Diese Form des Council wurde uns von Joanna Macy und John Seed vorgestellt. Es ist eine wunderbare Idee, Menschen dazu aufzufordern, sich der Stimme der Erde und der aller ihrer Wesen zu öffnen. Wir nehmen uns die Freiheit und fragen: „was würde ich jetzt sagen, wenn ich Baum wäre“, oder was würde der Delphin sagen? Wenn wir in einem Council sitzen, kann es passieren, dass wir Zugang zu einer Stimme erhalten, die größer, anders als unsere eigene ist.
Ein „Council of All Beings“ ist eine mögliche Form von Council; ich würde allerdings behaupten, dass der ‘Council of all beings’, also in gewisser Weise die Versammlung aller Wesen, für jeden Council zutrifft. Und zwar deshalb, weil wir bei jedem Council allen Menschen, allen Wesen um uns herum zuhören, ebenso wie wir den Ort und die Zeit einbeziehen. Wenn ein Vogel herein fliegt, wird er zum Teilnehmer. Wenn ich in einer Schulklasse mitten in Los Angeles sitze, ist das Chaos, das um uns herum herrscht, Bestandteil des Council. Alles hat Einfluss, die Zeit, der Ort und alle Wesen.
Brauchen wir dieses Werkzeug heute mehr als früher? Kehrt da was zurück in die Moderne und wird wiederentdeckt?
Als wir all diese Schießereien in amerikanischen Schulen hatten, von denen Sie vielleicht gehört haben, gab es plötzlich eine Riesennachfrage nach solchen Kreisen. Nach dem letzten Erdbeben in Los Angeles kamen viele zur Ojai Foundation und suchten Zuflucht, nicht nur, um in Sicherheit zu sein, sondern auch um mit anderen Betroffenen zusammen über das, was passiert war, zu sprechen. Es sind auch schon afghanische Flüchtlinge zu uns gekommen, weil es sonst nirgendwo einen Platz gab für ihre Geschichte. Ich will aber weder voraussagen, noch beurteilen, ob es sich nun gerade um ein neuerwachtes Interesses handelt. Das ist wie mit dem Ozean: mal kommt eine kleine Welle, dann ein Riesenbrecher. Diese Form des Council hat es immer gegeben und wird es immer geben. Ob das nun zu- oder abnimmt – keine Ahnung. Was ich jedoch sicher weiß ist, dass ich weiter damit leben werde, und für jeden da sein werde, der dazu kommen möchte.
In Ihrem Buch beschreiben Sie ausführlich alle Formen von Council. Ich selber habe das Gefühl, dass diese Form des miteinander Sprechens uns im Blut liegt, in unseren Genen verankert ist, und dass wir im Grunde unseres Herzens alle wissen, worum es geht. Vielleicht muss man gar kein Spezialist sein, um Council praktizieren zu können.
Nachdem wir viele Jahre diese Form der Kommunikation gelebt hatten, wollten wir denen eine Hilfestellung geben, die sich darin üben möchten – so entstand das Buch. Viele Menschen praktizieren diese Gesprächsform und gottseidank macht es jeder auf seine Weise.
Jack Zimmerman und ich haben das Buch geschrieben, weil wir dachten, es gibt noch mehr zu lernen und wir können damit zu mehr Übung anregen. Außerdem hatten wir auch andere Council-Formen erprobt, die uns hilfreich erschienen, und wir wollten Menschen in allen Lebenssituationen unterstützen. Das Buch soll bei der praktischen Anwendung eine Hilfe bieten. Wir haben es als eine Art Arbeitsbuch konzipiert. Seitdem haben wir noch viele weitere Varianten ausprobiert, zum Beispiel Council mit Gesten oder mit Tönen. Wir müssten eigentlich eine Neuauflage oder Fortsetzung schreiben, aber wir machen gerade ständig Council und haben gar keine Zeit dazu.
Ich bin überzeugt, die Kreisform ist in unseren Genen verankert. Es ist wie mit der Meditation – je mehr Zeit man mit Üben verbringt, desto größer wird der Einfluss auf das eigene Leben. Ich denke aber auch, dass es verschiedene Formen des Lernens gibt. Jeder kann sich setzen, sich auf seinen Atem konzentrieren, und die Stille wahrnehmen. Es ist einfach, zu meditieren, und dennoch gibt es immer noch etwas zu lernen. Genauso einfach ist es, im Kreis zusammen zu kommen, aber wenn man sich voll darauf einlässt, wird man feststellen, dass es immer noch viel zu lernen gibt.
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Council in Schulen Seminar im Eschwege-Institut 2011 mit Joe Provisor